Relativitätstheorie für alle
Jeder hat schon mal von Einsteins Relativitätstheorie gehört, Raum und Zeit sind demnach angeblich ganz anders als man sich das vorstellt. Schwierig soll die Theorie auch sein, deswegen begegnet man ihr mit einer gewissen Ehrfurcht, aber letztendlich hat sie offensichtlich keine Auswirkungen auf unser Leben – kommt also zusammen mit der Quantenmechanik, Wurmlöchern, dem Higgs-Boson und Paralleluniversen in die Schublade „Abgedrehte Theorien von Physikern für Physiker“.
Ohne Relativitätstheorie funktioniert aber kein GPS-Navigationsgerät und man wäre mit seinem topaktuellen Smartphone in einer fremden Großstadt orientierungslos. Die Hintergründe von GPS, aber auch einen relativistischen Flugsimulator, die Wirkung schwarzer Löcher und die seltsamen Verzerrungen und Drehungen von Körpern, an denen man mit nahezu Lichtgeschwindigkeit vorbeifliegt, konnten Schüler und Lehrer vom 3.11. – 14.11.2014 in Raum 515 an den 6 Exponaten des Einsteinmobils (hauptsächlich Computersimulationen auf PC) erkunden. In dieser Zeit besuchten über 400 Schüler, Lehrer und auch Mitglieder des Rotary-Clubs Leverkusen die Ausstellung.
Ein Höhepunkt war das „relativistische Fahrrad“, ein Trimm-Dich-Rad, auf dem man mit bis zu 99% Lichtgeschwindigkeit durch die sich mit zunehmender Geschwindigkeit immer stärker verzerrende Innenstadt von Tübingen fahren konnte. In den meisten Darstellungen der Relativitätstheorie wird stillschweigend davon ausgegangen, dass man die Effekte in dem Augenblick sieht, in dem sie gerade passieren. Aber das Licht braucht auch eine gewisse Zeit bis zum Auge bzw. zur Kamera. Daher zeigt ein Foto genau genommen Dinge, die zu verschiedenen Zeiten stattgefunden haben. Entferntere Bildinformationen sind früher von einem sich auf uns zu bewegenden Objekt gestartet als nähergelegene. Dieser Lichtlaufzeiteffekt führt zu seltsamen Verzerrungen und Drehungen – bis hin zu einem auf uns zufliegenden Würfel (PC-Simulation), dessen Rückseite man sehen konnte! Mindestens ebenso seltsam war die PC-Station zur Allgemeinen Relativitätstheorie. Massen krümmen den Raum, die Zeit in ihrer Nähe vergeht langsamer und ein Lichtstrahl fliegt nicht mehr geradeaus.
Wer sich dauerhaft vom Flugsimulator losreißen konnte, hatte im Einsteinmobil die einmalige Möglichkeit die Relativitätstheorie sehr anschaulich zu erleben und Zeit und Raum so präsentiert zu bekommen wie sie wirklich sind. Wer nicht gleich alles verstanden hat, steht sicher nicht alleine (Einstein selbst wartete fast 10 Jahre, bevor er die Allgemeine Relativitätstheorie veröffentlichte), aber offene Fragen und die Arbeit an einem immer genaueren Bild unserer Welt sind ja auch das, was die Naturwissenschaften interessant macht und vorantreibt.
Textauszüge zu zwei Exponaten des “Einsteinmobils“:
Relativistisches Fahrrad
Mit einem speziell umgebauten Trimm-dich-Fahrrad ist eine interaktive Fahrradfahrt durch ein dreidimensionales Modell der Tübinger Innenstadt möglich. Die Simulation setzt die Lichtgeschwindigkeit künstlich auf 30 km/h herab und macht so die Effekte der Speziellen Relativitätstheorie für einen Fahrradfahrer erfahrbar. Nichts scheint mehr so wie gewohnt. Je schneller man fährt, desto stärker scheinen sich die Häuserfronten zu verzerren.
Ein Hochleistungsrechner und eine Grafikkarte führen pro Sekunde 3 Mrd. Operationen aus, damit man interaktiv durch Tübingen radeln kann. Ein Beamer projiziert das Bild der verzerrten Tübinger Innenstadt auf eine große Leinwand vor dem Fahrrad.
Spiel mit dem Schwarzen Loch
Die Allgemeine Relativitätstheorie ist die von Einstein 1915/16 formulierte, korrekte Theorie der Gravitation. Ein wichtiger Effekt ist hier die Ablenkung des Lichts durch Massen. In dieser Computersimulation kann ein virtuelles Schwarzes Loch zwischen dem Beobachter und einem weit entfernten astronomischen Objekt erzeugt und verschoben werden. Sowohl die Größe des Schwarzen Lochs als auch der Hintergrund können verändert werden. Hierbei stehen fünf verschiedene Größen des Schwarzen Lochs zur Auswahl sowie vier verschiedene astronomische Objekte und ein beliebiges Motiv, das durch eine angeschlossene Videokamera selbst gewählt werden kann.
Die Schüler können selbst ausprobieren, wie die Aufnahmen in ihrer Umgebung oder vier astronomische Objekte durch die Lichtablenkung am Schwarzen Loch verzerrt werden.




